gerLINde becker

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Text  zur Ausstellung „Und breite meine Flügel aus…“

In der explosiven Fülle, die sich spontan mittels verschiedenster Materialien auf die Leinwand ergießt, oder auch in der heftigen Auseinandersetzung mit Acrylfarben, Pigmenten, Bleistift, Kreide auf Papier beginnt die Umsetzung einer völlig ungeordneten Ideenwelt.
Die Strapazierfähigkeit der Leinwand unterliegt gelegentlich grenzwertigen Geduldsproben, während Papier und Karton zuweilen dem heftigen Ansturm akuter künstlerischer Attacken nicht standhalten, dafür aber wieder zum Ausgangspunkt späterer Collagen werden können.

Hat erst einmal eine chaotische Fülle von Farben, Linien und Fäden, gefundenen Relikten und poetischen  Illusionen Besitz ergriffen vom dargebotenen Untergrund, tritt der schöpfende Künstler in den Hintergrund, das Bild bestimmt sich selbst.
Nur durch intensives Betrachten , in selbstvergessener Auseinandersetzung mit dem Dargestellten, entstehen der Wille und Versuch, eigene Komponenten im schöpferischen Dialog mit dem Bild entstehen zu lassen, ohne die Identität des Vorhandenen zu zerstören oder anzugreifen.
Ständige Zweifel bleiben bestehen, Vernichtungsprozesse und Neubeginn wechseln sich ab;
verspürt man zunächst Erleichterung durch Malträtieren der Oberfläche, Beruhigung durch flächiges Übermalen, scheint ein Ende der Aktivitäten in  unendliche Ferne gerückt, bis in diesem unbeschreiblichen Wandern durch die Farben der Fantasie ein  plötzlicher Augenblick zum Innehalten zwingt.    

Vielleicht ist alles Illusion, vielleicht ein Traum, dessen unendliches Firmament seine haptische Realität in der Kunst findet.

Oder entsteht Kunst nur oder erst im Auge des Betrachters?  

 

Gedanken

In der unbegrenzten Fülle des möglich nutzbaren Materials fühle ich mich so ausgeliefert im Rahmen der begrenzten Anzahl von Jahren, die in einem einzigen Leben zur Verfügung stehen.
Die Idee des Schöpferischen  wiederholt sich mit zunehmender Erfahrung und wachsender Schaffensintensität zunächst enttäuschend im bereits Dagewesenen, zeigt sich aber tröstlich erklärbar  durch Ähnlichkeiten der Individualitäten, bliebe doch andernfalls nur eine Verurteilung zum verzweifelten Sisyphus.

Den unendlichen Kosmos der Ideenwelt in sich, entsteht zwischen Verzweiflung und Euphorie der Versuch, seine eigenen Grenzen auszuloten, um im hintersten Winkel eines verbliebenen ureigenen Daseins aus sich selbst heraus zu schaffen, Gedanken in Formen oder Farben umzusetzen, zum willenlosen Opfer und freudig aktivem Täter der eigenen Phantasie zu werden.

 

Tagträume

Sind sie Wirklichkeit oder Phantasie? Oder sind sie gar die Wirklichkeit der Phantasie?
In Tagträumen entziehen wir uns dem Alltag, indem wir in ein Phantasiereich eintauchen, dessen Fülle unbeschreibbar und dessen Nähe zur Realität erstaunlich greifbar erscheint. Die Zeit, die wir mit dieser vermuteten Flucht aus der Wirklichkeit verbringen, lässt uns versinken in eine Welt anregender gefühlvoller Erlebnisse und Empfindungen, von deren Existenz wir lediglich in diesem eigenartig schwerelosen Zustand erfahren.
All diese Beschreibungen können aber den wunderbar schwerelosen Zustand nicht wiedergeben, in dessen Strudel wir geraten, wenn wir uns einlassen auf diese Tagträume! Gerade während schöpferischer Prozesse – wie in der Kunst der Farbspiele und emotionsgeladenen Formenvariationen – geraten wir in eine Phantasiewelt, in der Zeiten und Dimensionen verschmelzen. Die überbordende Fülle an stürmischen Empfindungen während des Malens lässt sich in der stillen Romantik des Luftschlosses Tagtraum kaum erahnen, der unendliche Kampf mit der Leinwand, die Misshandlung der Oberfläche, die Zerstörung allzu gefälliger Kompositionen. Und doch trifft es irgendwie diesen seltsamen Zustand zwischen Euphorie und Verzweiflung, die Bewegung in einem Niemandsland, dessen Entdeckung von Farbe, Temperament und Pinselführung abzuhängen scheint, dessen tatsächlicher Schwebezustand sich in einer verträumten Realität bei Mobilisierung physischer und psychischer Grenzkräfte bewegt zwischen Bewusstem und Unbewusstem, zwischen Spontaneität und Überlegung, in einem stets irrealen Ablauf, dessen Endprodukt erstaunlicherweise ein reales Ergebnis zeigt.